Fortschritt oder Rückschritt

Februar 7, 2017

Ich war einige Tage 148 Kilometer westlich der afrikanischen Küste untergebracht. Eine Insel. Kein Kreuzfahrtschiff. Bisweilen, für Januar wohl angemessen, verzeichnete das Thermometer 21 Grad. Also lagen Europäer, die da am Strand zu Gast waren, im Bikini und Badehosen rum. Sie schauten nicht aufs Meer. Manchmal vielleicht. Selten. Sie richteten ihre Aufmerksamkeit auf kleine Geräte, die der Fortschritt Anfang der 90er Jahre in die Gesellschaft implementierte. Nennen wir sie iphone und Konsorten. Ich dachte „cool“, wenn jetzt ein Pottwal vorbei schwimmt, werden die meisten ihn nicht wahrnehmen. Oder allenfalls im Live-Stream auf dem Display. Der Wal würde 100 Meter vor der eigenen Nase von links nach rechts schwimmen und die Menschen würden über eine App auf die Webcam der Insel zurückgreifen, um ihn zu sehen. Und staunend dem Partner links oder rechts schreiend das Display zeigen. Twittern würden sie das wahrscheinlich auch gleich. Was hat uns der Fortschritt gebracht? Dienen diese Erfindungen womöglich der Zerstreuung und weniger der Sicherheit oder Selbsterkenntnis? Warum haben sich die gesellschaftlichen Verhältnisse dahin entwickelt, sich abzulenken, nicht zu fokussieren? Und ist die ganze Vernunft, die die neuen Medien suggerieren sollen, vielleicht nur eine Oberfläche, die den Abgrund verdeckt. Ich denke, die Technologien schicken sich gerade an, die Menschen moralisch gleichgültiger zu machen. Angesprochen auf zuviel Konsum durch all die Samsungs verweisen 90 von 100 Benutzer auf den Zeitgeist und die Moderne. Und wer bei den vielen Chancen nicht gut gelaunt ist, wird als Retro tituliert. Oder alt. „Wir können, was wir wollen. Und es fragt sich nur noch, was wir wollen…“, so ähnlich hat es Max Frisch mal formuliert. Lange her und heute Realität.

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