Ich saß mal in der Lobby eines Hamburger Hotels und schwitzte. Das sollte sich nicht wiederholen. Und so mied ich fortan derartige Orte. Neulich war ich in einer Stadt in Niedersachsen. Den Namen möchte ich hier aus unerheblichen Gründen nicht nennen. Ich traf zum Beispiel eine dunkelhaarige Frau um die 40. Der Abend verlief angenehm. Es war weder zu kalt, noch zu warm. Und die zwei oder drei Stunden vergingen wie im Flug. Zwei oder drei Stunden, ich sage Ihnen, für jemanden, der die Zwischenräume vor allem in der Exegese der Zukunftstechnologie sucht, kann das zur Ewigkeit werden. Heute war ich in meiner Stadt unterwegs. Ich traf fast nur Männer. Eine Frau war dabei, fällt mir gerade ein. Die moderne Welt ist zum Kasperletheater geworden. Da bin ich froh, wenn ich mal Menschen treffe, die binnen 30 Minuten nur selten oder gar nicht auf ein Handy starren. Heute habe ich drei Menschen getroffen, mit ihnen einen Kaffee und einen Bananenshake getrunken und nur eine Person hat einmal das Handy benutzt.
Ich wäre gern ein verlässlicher Deuter dieser Welt. Vielleicht bin ich einer. Und traue es mir nicht immer zu. Die meisten wissen doch im Grunde, dass sie nichts anderes sind als eine deprimierende Anhäufung popkultureller Einflüsse und verkümmerter Emotionen, angetrieben vom stotternden Motor des Kapitalismus in seiner banalsten Form. Ich hätte mir heute vielleicht die eine oder andere Tat ersparen können. Ich habe Bohnen bei Mel im Pöstenweg in die Erde gedrückt. Mögen Pflanzen wachsen. Das war okay. Aber was sollte der Ankauf eines überteuerten Oktavhefts im Marktkauf?
Ich würde gern weniger sofort besitzen. Lieber mehr erleben oder leihen oder teilen. Ich konnte Sabine davon berichten, dass ich ein stylisches Shirt für 1 Euro auf dem Flohmarkt in Bielefeld erworben habe. Geht die Ära des Eigentums vielleicht zu Ende? Noch ist Deutschland eine Meins-Gesellschaft. Laut einer Studie für das Bundesumweltministerium (2010) haben 40 Prozent der Befragten in den vergangenen drei Jahren nie einen Gebrauchsgegenstand gemietet. Fast 30 Prozent haben nie etwas bei einem Nachbarn oder Bekannten ausgeliehen. Mein Freund Ryan beispielsweise ist anders. er hat neulich in der Albert-Einstein-Straße in Lemgo eine Zwiebel bei seinem Nachbarn geholt. Aber eine zweite wollte er gestern nicht holen. Die Bräuche ändern sich. Ebay soll mal eine Studie in Auftrag gegeben haben, der zufolge in deutschen Haushalten ungenutzer Hausrat im Wert von 35,5 Milliarden Euro herumliegt.
Wissen Sie, mit welcher Äußerung Sie problemlos bei nahezu jedem Gesprächspartner anknüpfen können? „Das ist ja interessant“. Damit können Sie punkten. Probieren Sie es. Ich liebe mein Leben, aber ich kann mir auch zwei andere vorstellen. Kaum hat man die Antworten gefunden, wechseln die Fragen. Heute saß ich mit einem bekannten Lemgoer der Gastronomiebranche auf dem Marktplatz. Wir gehen übermorgen mal von Lemgo nach Detmold und zurück. Nur so. Ich werde auf diese Kurzwanderung später mal zurückkommen.
Ich war neulich in Hannover und bin übereifrig vor dem Seminarhotel im Süden der Stadt quer über die Bahnschienen gebrettert, weil ein verlockender Parkplatz in Sicht war. Ich mache sowas manchmal und denke schon wenige Momente später, dass das Blödsinn ist. In dem Vortrag eines sündhaft teuren Referenten – bei einem Tagessatz von mehr als 5000 Euro darf ich den so bezeichnen – ging es vornehmlich um die Frage: „Wofür willst du wahrgenommen werden?“ Es gibt Leute, die erhellen einen Raum, wenn sie ihn betreten, andere, wenn sie ihn verlassen. Das war so einer von der ersten Kategorie. Ich habe mir eine Geschichte germerkt: Charlie Chaplin hat mal an einem Charlie-Chaplin-Ähnlichkeitswettbewerb teilgenommen. Und verloren.
Durch die Fußgängerzone meiner Kleinstadt, also die Mittelstraße, ging heute eine Frau aus meiner Jugend. Klasse 5 bis 10. Ich wollte mal mit ihr zum Abschlussball der Tanzschule. Das muss so 1979 oder 1980 gewesen sein. Und später sah ich noch einen Typen aus meiner Schulzeit. Oberstufe. Schräge Optik. Mit einer womöglich im Untergrund erworbenen Glaubwürdigkeit. Illustriert im Tattoostudio, gestählt in einem Kraftraum. 1971, fiel mir ein, ließ ein Künstler in den USA oder England mal in einer Galerie auf sich schießen und wurde berühmt. Egal. Ist eine Theorie über das Selbst überhaupt von Belang? Die Zukunft hat an Reputation verloren, weil es mittlerweile zu viele davon gibt.
Heute ist kein Sport in Lemgo. Ferien. Die Hallen sind verschlossen, weil städtische Angestellte uns Glauben machen wollen, man müsse astreine Hallen wochenlang ausbessern. Wenn wirklich etwas defekt wäre, dann hätte doch die Verkehrssicherungspflicht einer Kommune längst gegriffen und die Mängel wären beseitigt worden. Also alles nur Quatsch.
Wissen Sie, was mich seit einigen Wochen fasziniert. Anschlussfehler in Filmen. Seit ich einen entdeckt habe, suche ich andere. Ich passe jetzt besser auf. The Bourne Identity habe ich schon 11 Mal gesehen. Und einen entdeckt. Es gibt im Internet Infos dazu. In dem Film Casablanca verschwinden die Schulterstücke von Major Strasser und tauchen wieder auf. Im Film Pretty Woman trägt Julia Roberts die Handtasche erst unterm linken, ein paar Sekunden später unter dem rechten Arm. In Spartacus, der im antiken Rom spielt, tragen einige der Statisten Armbanduhren.
So, hier endet an diesem letzten Montag im Juli die Kolumne. Wussten Sie, dass wir pro Atemzug mehrere 1000 Hautschuppen einatmen?